Seit Bundesminister Hubertus Heil auf eine Sonderprüfung möglicher Auftraggeber der Mazur-Gruppe hingewirkt hat, ist vielen vom LkSG betroffenen Unternehmen bewusst geworden, dass die Risikobewertung in Bezug auf Speditionsdienstleister besonderer Aufmerksamkeit verdient. In diesem Beitrag vermitteln wir Ihnen, wie Sie als Auftraggeber angemessene präventiv- und Kontrollmaßnahmen mit Ihren Frachtführern planen und Compliance-Risiken reduzieren können.

Der Sachverhalt dürfte aus den Medien bekannt sein: LKW-Fahrer eines polnischen Logistikunternehmens hatten wochenlang auf der Autobahnraststätte Gräfenhausen gestreikt, weil ihre Bezahlung ausblieb. Im August machten die Streikenden die Namen der Unternehmen bekannt, die angeblich Transporte bei dem ausbeuterischen Unternehmen in Auftrag gegeben hatten. Minister Heil sagte nicht nur dem Logistikunternehmen den Kampf an, sondern forderte auch die vom LkSG betroffenen Unternehmen auf, „bei der Auswahl ihrer Speditionen ihrer Verantwortung gerecht zu werden.“ Bei 58 vom LkSG betroffenen Auftraggebern prüft das BAFA seitdem, ob die Sorgfaltspflichten bei der Auswahl der Speditionsdienstleister eingehalten wurden.

Daraus ergibt sich ein klares Bild: Unternehmen, die vom LkSG betroffen sind, müssen bei der Vergabe von Transportaufträgen prüfen, ob sich bei den ausgewählten Spediteuren LkSG-relevante Risiken ergeben, und angemessene Kontrollmaßnahmen einleiten. Was dabei zu beachten ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

LkSG & Spedition: Muss ich unsere Spediteure in der Risikobewertung überhaupt betrachten?

Intuitiv fokussieren sich viele Unternehmen bei der Risikobewertung auf Rohstofflieferanten – Lieferanten von Dienstleistungen werden nicht oder nicht mit der gleichen Intensität geprüft. Das viele Unternehmen die Lieferantenbewertung je nach Einkaufsvolumen priorisieren, verstärkt diese Tendenz. Dem LkSG nach sind diese Unterscheidungen jedoch hinfällig und rechtfertigen keine Aussetzung der Sorgfaltspflichten. Auch ad-hoc Beziehungen, wie zum Beispiel bei der kurzfristigen Vergabe von Aufträgen auf Frachtenbörsen, stellen im Sinne des LkSG ein Lieferantenverhältnis da. Diese Interpretation wurde vom BAFA bestätigt, im Rahmen eines empfehlenswerten Webinar von IntegrityNext und der VerkehrsRundschau.

Deshalb ist mindestens jährlich eine angemessene Risikoanalyse durchzuführen, bei der menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken bei Speditionsdienstleistern zu bewerten sind, sofern ein unmittelbares Lieferantenverhältnis besteht.

 

Pflichten in Bezug auf die Bewertung von Spediteuren

Neben der Risikoanalyse müssen Gesetzesadressaten mit Ihren Speditionsdienstleistern risikobasierte Kontrollmaßnahmen vereinbaren und durchführen. Das Gesetz macht zur Art der Kontrollmaßnahmen keine konkreten Vorgaben. Es obliegt Unternehmen selbst zu entscheiden, welche Kontrollmaßnahmen sinnvoll sind.

In bestimmten Fällen kann der Vor-Ort-Besuch oder ein Lieferantenaudit das einzige Mittel sein, um der Pflicht zu risikobasierten Kontrollmaßnahmen nachzukommen. Dies gilt insbesondere für die Überprüfung von LkSG-Vorgaben im Bereich Arbeitsschutz und Umwelt, sowie bei allen Risiken bei denen Interviews mit Mitarbeitenden zwingend Bestandteil des Audits sind. Beide Punkte treffen bei der Bewertung von Spediteuren in der Regel zu: Die realen Arbeitsbedingen lassen sich nicht ausschließlich anhand einer Dokumentenprüfung oder Fragebogen bewerten.

Bei der Vergabe über Frachtenbörsen ist ein ad-hoc Audit aufgrund der Kurzfristigkeit in der Regel weder praktikabel noch durchsetzbar. Systematische Abfragen von Zertifikaten und Selbstauskünfte können dazu beitragen, das Risiko abzumildern.

Welche Standards können für die Bewertung herangezogen werden?

Wie in unserem FAQ zum Thema Audits im Kontext des LkSG bereits beschrieben, erkennt das BAFA an, dass Zertifikate oder Audits als wichtige Anhaltspunkte für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten dienen können, soweit sie nachweisbar die gesetzlichen Sorgfaltsanforderungen erfüllen. Standards und Auditprotokolle wie unter anderem SA 8000, Sedex SMETA, RBA, FSSC 24000 und Together for Sustainability decken bis auf wenige Ausnahmen die durch das LkSG geschützten Rechtspositionen ab. Auch wenn weder Auftraggeber noch Auftragnehmer durch Zertifizierungen von ihren Sorgfaltspflichten befreit werden können, bieten diese dennoch eine erste Bewertungsgrundlage. 

 

Branchenspezifische Risiken und Besonderheiten

Liegen bislang keine belastbaren Auditergebnisse und/oder Zertifikate vor, können Unternehmen selbst Audits bei Speditionsdienstleistern durchführen oder Dritte dazu beauftragen. Da viele generische Sozialstandards für Produktionsstätten konzipiert worden sind, empfehlen wir branchenspezifische Auditkriterien heranzuziehen. Nur so ist sichergestellt, dass der Auditor/die Auditorin den Besonderheiten der Branche gerecht wird. Dazu zählen unter anderem:

  • Gesetzliche Vorschriften zu den Lenk- und Ruhezeiten
  • Zugang zu geeigneten und geschlechtergerechten Unterkünften mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen
  • Arbeitsschutz in betriebseigenen Kfz-Werkstätten und Lagerhallen
  • Umgang mit Subunternehmern und Weitergabe der relevanten Verhaltenskodizes
  • Bezahlung von existenzsichernden Löhnen
  • Umgang mit Sprachbarrieren; Unkenntnis der Fahrer*innen hinsichtlich ihrer Rechte in einem äußerst internationalen Arbeitsumfeld
  • Ethische Rekrutierung von Fahrern und Fahrerinnen durch Vermittlungsagenturen
  • … und viele mehr

Audits im Kontext des LkSG: Häufig gestellte Fragen

Welche Anforderungen an Lieferantenaudits gehen aus dem LkSG hervor? Wie stelle ich sicher, dass Audits alle LkSG-relevanten Punkte abdecken? Antworten aus diese und weitere Fragen können Sie hier nachlesen.

Zum Blogbeitrag

Audits in der Logistik: ein Thema für Experten

Aus der oben aufgeführten Liste wird deutlich, dass Audits in der Transportbranche nicht mit Audits in Produktionsumgebungen gleichzusetzen sind. Es ist zwingend nötig, dass Auditor*innen mit den gesetzlichen Vorschriften und Besonderheiten des Transportsektors vertraut sind. Zusätzlich brauchen Auditor*innen tiefgehende Kenntnisse der Auditkriterien, des Arbeitsrechts, der für das LkSG relevanten Umwelt- und Menschenrechtsabkommen, der Arbeitssicherheit, der Umweltauswirkungen, der Lohnadministration, Diversität und Nichtdiskriminierung sowie die Soft Skills, um effektive Mitarbeitergespräche führen zu können.

Die Gesetzesbegründung des LkSG (Vgl. Bundestag Drucksache 19/28649, S. 44 bzw. S. 48) erwähnt ausdrücklich, dass sowohl bei der Risikoanalyse als auch bei der Durchführung der Kontrollmaßnahmen die Beauftragung von Dritten in Betracht zu ziehen ist. Insbesondere sind Dritte dann zu involvieren, wenn das Unternehmen nicht die entsprechende Kompetenz hat und daher die Einbindung von externem Wissen notwendig und sinnvoll ist. Zudem kann die Beauftragung von Dritten empfehlenswert sein, um die Glaubwürdigkeit der Auditergebnisse zu stärken.

Bewertung Spediteure - So unterstützt Sie die DQS

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Autor
Dr. Thijs Willaert

Dr. Thijs Willaert ist Global Director Sustainability Services. In dieser Funktion verantwortet er das gesamte Dienstleistungsportfolio der DQS rundum ESG. Zu seinem Interessensgebiet gehören unter anderem nachhaltige Beschaffung, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und ESG-Audits. 

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