Wie aus einer gemeinsamen Erklärung des Internationalen Akkreditierungsforums (IAF) und der Internationalen Organisation für Normung (ISO) vom 22. Februar 2024 hervorgeht, wird die Betrachtung von Risiken, die sich aus dem Klimawandel ergeben, künftig in bestimmte ISO-Managementsystemnormen aufgenommen. Gemäß der „ISO London Declaration of Climate Change“ verpflichtet sich die ISO, aktiv an der Stärkung der Klimaziele zu beteiligen. Daher fordern die jüngsten Änderungen von Unternehmen, die Relevanz der Risiken des Klimawandels im Rahmen ihrer organisatorischen Kontextanalyse (4.1) und der Erwartungen ihrer interessierten Parteien (4.2) zu bewerten. Diese Änderungen gelten mit sofortiger Wirkung.
Wichtige Änderung an Anlage 2 des Anhangs SL für 31 Managementsystemnormen
Nach dem Beschluss der ISO werden zwei neue, recht kurz gehaltene Textpassagen in alle neuen, in Entwicklung oder in Überarbeitung befindlichen ISO-Managementsystemnormen aufgenommen. Das Ziel besteht darin, dass Normanwender die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Fähigkeit, die beabsichtigten Ergebnisse ihres Managementsystems zu erzielen, künftig einbeziehen sollen. Die Änderungen werden zunächst als Ergänzungen zu 31 veröffentlichten Normen eingeführt und laut der ISO-Erklärung „in den neuen Text der harmonisierten Struktur (Anlage 2 des Anhangs SL in den ISO/IEC-Direktiven Teil 1 Konsolidiertes ISO-Supplement) aufgenommen“.
Was sind die neuen ISO-Anforderungen?
Die beiden neuen Textpassagen wurden am 23. Februar 2024 veröffentlicht und beziehen sich auf das Kapitel 4 „Kontext der Organisation“. Dem Kapitel 4.1 (Verstehen der Organisation und ihres Kontexts) wurde die Passage „The organization shall determine whether climate change is a relevant issue” als Anforderung hinzugefügt. Ein Unternehmen muss damit künftig bestimmen, ob der Klimawandel ein relevantes Thema ist.
Die zweite Änderung greift in Kapitel 4.2 (Verstehen der Bedürfnisse und Erwartungen der interessierten Parteien), dem ein „NOTE: Relevant interested parties can have requirements related to climate change“ hinzugefügt wurde. Dieser Hinweis unterstreicht, dass relevante interessierte Parteien auch Anforderungen in Bezug auf die Klimaziele stellen können. Dies soll sicherstellen, dass auch der Klimawandel während der Kontextanalyse systematisch und konsequent berücksichtigt wird.
Die knappen Ergänzungen schaffen einen strukturierten Rahmen, der Unternehmen ermutigen soll, künftig aktiv auf die Klimaveränderungen zu reagieren und dabei ihre Position am Markt zu stärken. Der Klimawandel sei, laut ISO, „für unsere Gemeinschaft wichtig genug, um von Organisationen zu verlangen, ihn jetzt zu berücksichtigen“.
Welche Auswirkungen haben die Änderungen auf zertifizierte Unternehmen?
Zertifizierte Unternehmen sollten sicherstellen, dass auch Fragen des Klimawandels "im Zusammenhang mit der Wirksamkeit des Managementsystems zusätzlich zu allen anderen Fragen" berücksichtigt werden, wie ISO und IAF in ihrem gemeinsamen Kommuniqué erklären. Die Absicht dahinter ist, "dass dieses wichtige Thema nicht übersehen, sondern von allen Organisationen bei der Gestaltung und Umsetzung ihres Managementsystems berücksichtigt wird."
Wird die Frage des Klimawandels als relevant erachtet, muss diese im Rahmen des Managementsystems zwingend in die Risikobewertung einbezogen werden. Hat ein Unternehmen mehrere Managementsysteme eingeführt, zum Beispiel Qualitäts- und Umweltmanagement, muss sichergestellt werden, dass die neuen ISO-Anforderungen zum Klimawandel in jeder anwendbaren Norm berücksichtigt werden. Dabei kann die Relevanz innerhalb der jeweiligen Systeme unterschiedlich zum Tragen kommen. Die Auswirkungen auf ein Qualitätsmanagementsystem können sich beispielsweise stark von den Auswirkungen auf ein Arbeitsschutzmanagementsystem unterscheiden.
Einflussfaktoren auf Managementsysteme
Hintergründe und Beispiele
Die Auswirkungen der Klimakrise auf Unternehmen sind vielfältig. Steigende Temperaturen und extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Wirbelstürme und Dürren stellen schon heute große Herausforderungen dar. Veränderte Arbeitsbedingungen, die sich unmittelbar auf die Arbeitsumgebung und die Effizienz von Anlagen auswirken, beeinflussen schon heute die Effizienz von Produktionsprozessen. Insbesondere Branchen wie Landwirtschaft, Bauwesen und Fischerei müssen sich auf diese Veränderungen einstellen, da sich Klimamuster verschieben.
Unvorhergesehene Wetterereignisse können Produktionsanlagen beschädigen, Transportwege und Lieferketten zusammenbrechen lassen. Dies kann nicht nur zu Produktionsstörungen und Lieferverzögerungen, sondern auch zu einer Verknappung von Ressourcen und Rohstoffen führen. Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten bedeutet für Unternehmen eine zunehmende Herausforderung, auf die es angemessen zu reagieren gilt. Um die Resilienz ihrer Lieferketten zu stärken, erfordert dies möglicherweise auch Investitionen in alternative Transportwege, Lagerhaltung und Risikomanagementstrategien.
Darüber hinaus können veränderte Umweltbedingungen und Temperaturschwankungen die Verfügbarkeit und Qualität von Rohstoffen beeinträchtigen, was wiederum die gesamte Lieferkette beeinflusst. Ein Temperaturanstieg kann auch die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen, insbesondere bei Arbeiten im Freien. Diese Veränderungen könnten sich wiederum auf die Arbeitsmärkte auswirken.
Angesichts strengerer Vorschriften und Gesetze zur Bekämpfung des Klimawandels weltweit müssen sich Unternehmen auf neue regulatorische Anforderungen vorbereiten und verstärkt Maßnahmen ergreifen, um diese einzuhalten. Dazu gehören möglicherweise strengere Emissionsgrenzwerte, erweiterte Berichtspflichten und die Teilnahme an Emissionshandelsprogrammen.
Carbon Footprint
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Unternehmen werden heute von ganz unterschiedlichen Treibern gefordert, ein Klimamanagement zu etablieren. Die Ermittlung der Treibhausgasemissionen und Berichterstattung sollte dabei gemäß anerkannter Standards wie ISO 14064-1, ISO 14067, ISO 14068-1 oder dem GHG Protocol erfolgen.
Welcher Standard für Ihr Unternehmen geeignet ist und welche Schritte hin zur Verifizierung Ihres Corporate und Product Carbon Footprints zu beachten sind, erfahren Sie in unserem kostenfreien Whitepaper.
Welche Normen sind betroffen?
Einer Liste der ISO zufolge sind von den Ergänzungen alle TYP-A-Managementsystemnormen betroffen, darunter unter anderem die sogenannten „großen“ ISO-Normen ISO 9001 (Qualität), ISO 14001 (Umwelt), ISO 45001 (Arbeits- und Gesundheitsschutz), ISO 50001 (Energie) und ISO/IEC 27001 (Informationssicherheit).
Insgesamt sind es die folgenden 32 bestehenden Normen, die von den neuen ISO-Anforderungen zum Klimawandel betroffen sein werden: ISO 9001, ISO 14001, ISO 14298, ISO 15378, ISO 16000-40, ISO 18788, ISO 19443, ISO/IEC 19770-1, ISO/IEC 20000-1, ISO 21001, ISO 21101, ISO 21401, ISO 22000, ISO 22163, ISO 22163, ISO 22301, ISO/IEC 27001, ISO 28000, ISO 29001, ISO 30301, ISO 30401, ISO 34101-1, ISO 35001, ISO 37001, ISO 37101, ISO 37301, ISO 39001, ISO 41001, ISO 44001, ISO 45001, ISO 46001 und ISO 50001.
Die vollständige Erklärung von ISO und IAF sowie eine umfassende Liste der betroffenen Normen finden Sie hier.
Hinweis: Durch die Aktualisierung der ISO 22000 ist auch der FSSC 22000 Standard von dieser Änderung betroffen. Die Ergänzung ist bei FSSC 22000 bereits ab dem 1. April gültig, es besteht eine Umsetzungsfrist von 2,5 Wochen. Auditorinnen und Auditoren sind verpflichtet, die Anpassung bei FSSC 22000 V6-Audits ab dem 1. April zu auditieren. Hier können Sie die FSSC 22000 Board of Stakeholders Decision List herunterladen.
Zum Anschauen: Neue ISO-Anforderungen zum Klimawandel
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Nach diesem Webinar wissen Sie:
- Welche Unternehmen sind betroffen?
- Welche Fristen müssen beachtet werden?
- Welche Anforderungen sind zu erfüllen?
- Welche Verbindung gibt es zu anderen gesetzlichen Anforderungen?
Zeitplan und Umsetzung
In Reaktion auf die jüngsten Änderungen haben wir als Zertifizierungsstelle unsere Auditverfahren angepasst, um sicherzustellen, dass die Aspekte des Klimawandels in kommenden Audits berücksichtigt werden. Unsere Auditoren begutachten ab sofort, inwieweit Ihre Organisation schon heute die neuen ISO-Anforderungen zum Klimawandel in ihren Zielen und Risikominderungsstrategien verankert hat.
Wir sind uns bewusst, dass Organisationen eine gewisse Anpassungszeit benötigen, und betrachten die mit dem Klimawandel verbundenen Auditfragen im ersten Jahr nach den Änderungen als Chance für Verbesserungen. Obwohl die ISO bedeutende Änderungen in den Managementsystemnormen vorgenommen hat, ist eine Neuausstellung der Zertifikate nicht erforderlich.
ISO 14091 – Leitfaden zur Anpassung an den Klimawandel
Bereits im Jahr 2021 ist die Norm DIN EN ISO 14091:2021-07 beim Beuth Verlag erschienen. Der Leitfaden behandelt das Thema „Anpassung an den Klimawandel – Vulnerabilität, Auswirkungen und Risikobewertung“ und bietet Leitlinien für die Bewertung von Risiken im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Klimaveränderungen. Der Leitfaden hilft Unternehmen aller Größen und Branchen darüber hinaus, die Anpassung an den Klimawandel zu lenken und mit Blick auf gegebenenfalls notwendige Maßnahmen entsprechende Prioritäten festzulegen.
Neue ISO-Anforderungen zum Klimawandel – Fazit
Die Integration von Klimazielen in ISO-Managementsystemnormen unterstreicht die Dringlichkeit und Bedeutung des Klimaschutzes in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen. Die strategische Einbindung der Klimaänderungen in die Normen fördert nicht nur die Umweltverträglichkeit, sondern trägt auch zur ökonomischen Resilienz der Unternehmen bei. Durch die neuen ISO-Anforderungen werden Unternehmen angeleitet, proaktiv auf den Klimawandel zu reagieren und ihre Marktposition zu sichern. Ein proaktives Risikomanagement ermöglicht es Unternehmen dabei, nicht nur die potenziellen Risiken, sondern auch die Chancen im Zusammenhang mit klimatischen Veränderungen zu identifizieren und zu nutzen. Somit spielen die ISO-Normen eine zentrale Rolle bei der globalen Bemühung, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und eine nachhaltige Zukunft für kommende Generationen zu gestalten.
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Bei der DQS in guten Händen
Im Spannungsfeld zwischen ökonomischem Wachstum und ökologischem Handeln gewinnen Managementsysteme zunehmend an Bedeutung – eine Entwicklung, die DQS bereits seit Jahren verfolgt. Es gilt heute als eine der zentralen unternehmerischen Herausforderungen, beide Aspekte als harmonische Ziele zu verstehen und fest in den Geschäftsprozessen zu verankern. Die steigende globale Aufmerksamkeit für Klimaveränderungen und der anhaltende Wandel im Bewusstsein spiegeln sich in immer komplexer werdenden gesetzlichen Vorgaben wider – und neuerdings auch in den Managementsystemnormen der ISO.
Als international anerkannter Zertifizierer für Managementsysteme und Prozesse unterstützen wir Unternehmen mit wertvollen Audits in sämtlichen Wirtschaftsbereichen – und das an über 30.000 Audittagen pro Jahr. Unser Anspruch reicht dabei weit über das Abhaken von Auditchecklisten hinaus. Unsere Auditoren bringen ihre umfangreiche fachliche und branchenspezifische Kompetenz ein, um Ihnen wertvolle Anregungen für die Weiterentwicklung Ihres Managementsystems und die fortlaufende Verbesserung Ihres Unternehmens zu bieten. Nehmen Sie uns beim Wort!
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Altan Dayankac
Global Program Manager und Senior Sustainability Manager der DQS Gruppe und internationaler Experte für zahlreiche Nachhaltigkeits-, Klima-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsthemen. Seine Expertise bringt Altan Dayankac zudem als Autor und Moderator in HSE- und Nachhaltigkeits-Komitees sowie in verschiedene Fachveranstaltungen ein.