Mit dem Richtlinienentwurf zur sogenannten Omnibus-Verordnung, den die EU-Kommission im Februar 2025 vorgelegt hat, zeichnen sich wichtige Änderungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ab: Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ursprünglich unter die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) gefallen wären, werden nun voraussichtlich davon ausgenommen. Was auf den ersten Blick wie ein Rückschritt in der Nachhaltigkeitsregulierung wirkt, bietet dem Mittelstand aber die Chance, eine freiwillige, deutlich schlankere und zielgruppengerechte Berichterstattung nach dem neuen VSME-Standard aufzusetzen.
1. Der VSME-Standard für Nachhaltigkeitsberichterstattung im Kontext
Das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Omnibus-Paket soll alle Unternehmen mit bis zu 1000 Beschäftigten und 50 Mio. Euro Umsatz vom Anwendungsbereich der CSRD ausschließen. Damit werden in der gesamten EU plötzlich etwa 40 000 Unternehmen von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung freigestellt. Viele Unternehmen, die der CSRD nach in 2026 für das Geschäftsjahr 2025 berichten hätten müssen, haben schon mit den Vorbereitungen angefangen und stehen nun vor der Frage, wie sie die bereits geleistete Arbeit und die aufgebaute Kompetenz gewinnbringend einsetzen können. Dazu gibt es mehrere Wege, die je nach Unternehmenskontext mehr oder weniger valide sind:
- Sich auf Managementsysteme statt Reporting zu fokussieren,
- den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und freiwillig nach den ESRS berichten,
- auf bereits etablierte Standards wie die GRI Standards zurückfallen, oder
- freiwillig nach dem neuen und speziell für KMU entwickelten VSME-Standard zu berichten.
In diesem Beitrag beleuchten wir die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung anhand des VSME-Standards, seine Zielgruppe, Inhalte, Chancen und Grenzen.
Der VSME-Standard (Voluntary Sustainability Reporting Standard for SMEs) wurde speziell entwickelt, um KMU einen niederschwelligen Einstieg in die freiwillige Berichterstattung zu ermöglichen. Der Standard versteht sich als praktisches Werkzeug für Unternehmen, die strukturiert über ökologische, soziale und unternehmerische Nachhaltigkeitsaspekte berichten möchten. Er orientiert sich dabei an etablierten Prinzipien der Nachhaltigkeitsberichterstattung, ohne jedoch deren Komplexität zu übernehmen. Entwickelt wurde der Standard von der EFRAG, im Auftrag der Europäischen Kommission. Seit seiner Veröffentlichung im Dezember 2024 steht der VSME Standard hier kostenfrei zum Download zur Verfügung.
Kostenfreies Webinar: VSME-Standard für freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung – Einblicke, Nutzen und Grenzen
Mit der Omnibus-Initiative der EU werden Unternehmen mit bis zu 1000 Mitarbeitenden voraussichtlich von der Nachhaltigkeitsberichtpflicht befreit. Die Aufhebung der Berichtspflicht bietet Unternehmen nun die Chance, schlankere Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen, welche den Informationsbedürfnissen der Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit gerecht werden. In unserem kostenfreien 60-minütigen Webinar erhalten Sie fundierte Einblicke in die Inhalte, Anwendung und Grenzen des VSME-Standards sowie in den Ablauf einer externen Prüfung der Berichte.
2. Zielgruppe und Zielsetzung des VSME-Standards
Der VSME-Standard richtet sich explizit an kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere solche, die nicht unter die EU-Berichtspflicht fallen, aber dennoch Transparenz über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten schaffen wollen. Vorsicht: Die auf Seite 4 des VSME Standards genannten Schwellenwerte sind die Schwellenwerte, die durch die Omnibus-Initiative in Bezug auf den Anwenderkreis der CSRD nicht mehr zutreffen.
Durch seinen modularen Aufbau und die einfache Sprache ist der Standard besonders für Unternehmen mit begrenzten Ressourcen und/oder begrenzter Kompetenz im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung geeignet.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem VSME Standard verfolgt im Prinzip drei Hauptziele:
- Kundenanforderungen erfüllen: Großunternehmen verlangen von ihren Lieferanten zunehmend Informationen zur Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Mit einer Berichterstattung gemäß dem VSME Standard können Unternehmen diesen Informationsbedarf befriedigen, ohne für jede Kundenanfrage neue Maßnahmen ergreifen zu müssen.
- Banken und Investoren: Auch Banken, Investoren und Versicherer brauchen zunehmend Daten zu den Auswirkungen und Risiken in Bezug auf Nachhaltigkeit. Eine Berichterstattung gemäß dem VSME Standard kann demnach den Zugang zu Finanzierung erleichtern.
- Nachhaltigkeitsmanagement: Eine strukturierte Erhebung und Reporting der Nachhaltigkeitsindikatoren ist für ein effektives Nachhaltigkeitsmanagement unabdinglich. Der VSME Standard ermöglicht das Reporting der wichtigsten Indikatoren, wobei anzumerken ist, dass der VSME kein Managementsystem ersetzen kann.
3. Inhalte des VSME-Standards
Der VSME-Standard gliedert sich in zwei Berichtsformate: Basic und Comprehensive. Damit berücksichtigt er unterschiedliche Ausgangslagen und Stakeholdererwartungen von KMU.
Basic Version
Die Basic-Version ist ein kompakter Einstieg, der sich auf die wichtigsten Aspekte konzentriert:
- Unternehmensprofil und Geschäftstätigkeit
- Übersicht über wesentliche Nachhaltigkeitsaktivitäten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung
- Darstellung von Maßnahmen und Auswirkungen in vereinfachter Form, ohne formale Vorgaben
Sie eignet sich für Unternehmen, die erste Erfahrungen mit Berichterstattung sammeln möchten.
Comprehensive Version
Die Comprehensive-Version geht einen Schritt weiter und bietet einen tieferen Einblick:
- Ausführlichere Darstellung von Managementansätzen und Kennzahlen
- Umfassendere Betrachtung der Lieferkette
- Integration freiwilliger Nachhaltigkeitsziele
- Integration der Risiken in Bezug auf Nachhaltigkeit
Diese Version richtet sich an Unternehmen mit höherem Anspruch oder an solche, die die Informationsbedürfnisse von Geldgebern oder Kunden befriedigen wollen. Für Akteure der Finanzwelt ist insbesondere die Offenlegung der Klimarisiken, die nur in der Comprehensive-Version abgebildet werden, essentiell.
4. VSME vs. ESRS vs. GRI
Unternehmen, die nicht (mehr) von der CSRD betroffen sind, können frei entscheiden, nach welchen Standard(s) sie berichten möchten. Es empfiehlt sich, bei der Entscheidungsfindung die Informationsbedürfnisse Ihrer wichtigsten Stakeholdern zu klären:
- Welche Datenpunkte sind für Ihre Stakeholder essentiell?
- Wie wichtig ist die Offenlegung, Quantifizierung und Bewertung von Risiken für Ihre Stakeholder?
- Nach welchen Standards berichten Ihre Kunden?
- Welche Märkte bedienen Sie?
- Welche Anforderungen haben Ihre Stakeholder an die Vergleichbarkeit der Daten?
Wichtig ist allerdings auch, die Erwartungen der Stakeholder und die eigenen Ressourcen miteinander in Einklang zu bringen. Standards wie ESRS und GRI mögen zwar die Informationsbedürfnisse aller Stakeholder befriedigen, führen aber zu einer ressourcenintensiven und komplexen Berichterstattung. Eine sukzessive Annäherung über den VSME kann eine Lösung sein.
Zu beachten ist auch noch, dass der Omnibus-Vorschlag auch eine Vereinfachung der ESRS vorsieht: Die Anzahl der Datenpunkte soll reduziert werden, der Anteil der narrativen Elemente soll verringert werden und für die Wesentlichkeitsanalyse sollen die Vorgaben deutlicher werden. Im Ergebnis sollen die ESRS Standards nutzerfreundlicher werden, es ist jedoch davon auszugehen, dass sie im Vergleich zum VSME Standard weiterhin deutlich komplexer bleiben werden.
Auch Überlegungen zu der Interoperabilität können bei der Auswahl der Standards eine Rolle spielen. Interoperabilität bezieht sich auf die Abstimmung und Vergleichbarkeit der verschiedenen Berichtsstandards. Wenn die Interoperabilität gegeben ist, kann ein Nachhaltigkeitsbericht den Anforderungen gleich mehrerer Standards entsprechen. Sowohl für die Kombinationen ESRS und GRI, ESRS und ISSB, GRI und ISSB existieren Mappings, welche die Angaben der unterschiedlichen Standards abgleichen. Vollumfänglich aufeinander abgestimmt sind allerdings nur ESRS und VSME, da beide Standards von der EFRAG als komplementäre Werkzeuge konzipiert wurden.
Bedeutende Unterschiede zwischen den Standards gibt es bei der Wesentlichkeitsanalyse. Bei einer Wesentlichkeitsanalyse geht es darum, zu bewerten, welche Auswirkungen in Bezug auf Nachhaltigkeit bedeutend sind und Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung sein müssen. Dabei gibt es grob folgende Kategorien:
- Standards wie ISSB, die primär darauf abzielen, die finanzielle Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten zu ermitteln („financial materiality“),
- Standards wie GRI, die vor allem die Auswirkungen von Unternehmen auf die Umwelt und auf Menschenrechte offenlegen sollen („impact materiality“), und
- Standards wie die ESRS, die beide Dimensionen abbilden („double materiality“)
Im Gegensatz zu diesen Standards erfordert der VSME Standard keine Wesentlichkeitsanalyse. Die Philosophie entspricht aber dem Ansatz der doppelten Wesentlichkeit, da sowohl Auswirkungen des Unternehmens als auch Auswirkungen auf das Unternehmen abgebildet werden sollen.
Unternehmen, die nach dem VSME Standard berichten, sind nicht verpflichtet, alle Angaben offenzulegen, sondern können auch Angaben, die für das Unternehmen nicht relevant sind, weglassen. Um aber ermitteln zu können, welche Angaben relevant sind und welche nicht, kann es ratsam sein, trotzdem eine schlanke Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen.
Der VSME Standard: Orientierung ohne Überforderung
Der VSME-Standard ist ein wertvolles Instrument für KMU, um freiwillig und strukturiert über Nachhaltigkeit zu berichten. Er bietet Orientierung, ohne zu überfordern, und hilft Unternehmen, sich frühzeitig mit ESG-Themen auseinanderzusetzen. Ergänzt von wirksamen Managementsystemen hilft die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß VSME Standard dabei, Kundenerwartungen zu erfüllen und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Externe Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten nach dem VSME-Standard: Warum sie sich auch für den Mittelstand lohnt
Zwischen wachsendem Druck zur Transparenz und begrenzten Ressourcen bietet der VSME-Standard mittelständischen Unternehmen einen praktikablen Weg zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – mit Mehrwert durch externe Prüfung. In diesem Beitrag erläutern wir, worauf es bei der Prüfung eines Berichts nach dem VSME-Standard besonders ankommt.
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Dr. Thijs Willaert
Dr. Thijs Willaert ist Global Director Sustainability Services. In dieser Funktion verantwortet er das gesamte Dienstleistungsportfolio der DQS rundum ESG. Zu seinem Interessensgebiet gehören unter anderem nachhaltige Beschaffung, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und ESG-Audits.
