Update: 21.08.2023

Am 1. Juni 2023 hat das Europaparlament („Parlament“) mit großer Mehrheit (366  Ja-Stimmen und 225 Nein-Stimmen bei 38 Enthaltungen) den vom Rechtsausschuss überarbeiteten Entwurf der EU-Kommission („Kommission“) über die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive („CS3D“ ) vom 23. Februar 2022 angenommen. In vielen Punkten hat das Parlament den Entwurf der Kommission verschärft. Insgesamt weist der vom Parlament verabschiedete Vorschlag 381 Änderungen gegenüber dem ursprünglichen  Entwurf der Kommission auf. Teilweise sind in die Änderungen auch Überlegungen des Rates Europäischen Union („Rat“) eingeflossen, der seine Stellungnahme zum Entwurf der Kommission schon am 30. November 2022 abgab. Nach der Sommerpause werden die Vertreter des Rates, des Parlaments und der Kommission im Rahmen des Trilogs zusammenkommen, um sich auf die finale Fassung der CS3D zu verständigen.

Anwendungsbereich der CS3D

Differenzierte der Entwurf der Kommission u.a. noch nach Sektoren mit hohem Schadenspotential (bspw. Herstellung von Textilien, Landwirtschaft und Gewinnung mineralischer Ressourcen), so zielt der Vorschlag des Parlaments nur noch auf Umsatzgrößen und Mitarbeiterzahlen ab. So soll die CS3D für alle in der EU ansässigen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 40 Millionen Euro gelten. Ein Unternehmen, das diese Schwellenwerte nicht erreicht, aber Mutterunternehmen einer Gruppe von Gesellschaften ist, die in Summe 500 und mehr Personen beschäftigten und einen weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro erzielt, fällt nun ebenfalls in den Anwendungsbereich der CS3D. 

Ähnlich wie im Vorschlag der Kommission vorgesehen, soll die CS3D auch für bestimmte Nicht-EU-Unternehmen gelten. Voraussetzung ist, dass sie einen weltweiten Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften, von denen mindestens 40 Millionen Euro auf den Binnenmarkt entfallen. Dies gilt auch dann, falls das Nicht-EU-Unternehmen Mutterunternehmen einer Gruppe von Gesellschaften ist, die in Summe diese Umsatzwerte erreichen und 500 oder mehr Personen beschäftigten.

Damit fallen deutlich mehr Unternehmen in den Anwendungsbereich der CS3D als unter das LkSG; Wettbewerbsnachteile von EU-Unternehmen gegenüber Unternehmen, die lediglich in die EU exportieren entfallen.

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Umsetzung Lieferkettengesetz

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Seit Anfang 2022 begleitet die DQS Unternehmen bei der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen. Wir bieten Ihnen folgende Dienstleistungen an: 

  • Lieferantenaudits in Bezug auf das LkSG
  • Bestandsaufnahme
  • LkSG Compliance
  • Umsetzungsworkshops: Juristische und operative Aspekte

Ausweitung der Sorgfaltspflichten

Im Grundsatz sind die Sorgfaltspflichten nach dem LkSG und der CS3D sehr vergleichbar. Bei Anwendung der Sorgfaltspflichten nach der CS3D sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten. Nach dem Vorschlag der Kommission sollten die Sorgfaltspflichten auf sogenannte etablierte Geschäftsbeziehungen oder „established business relationships“ beschränkt werden. Diese Eingrenzung hat das Parlament nicht übernommen. Der Vorschlag kennt auch nicht die Differenzierung des LkSG zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern, die Sorgfaltspflichten nach dem Vorschlag der CS3D erstrecken sich sowohl auf unmittelbare als auch auf mittelbare Geschäftspartner entlang der Wertschöpfungskette. Diese umfasst die vorgelagerte Lieferkette, bezieht im Gegensatz zum LkSG aber auch Teile der nachgelagerten Lieferkette zum Verbraucher/Nutzer von Produkten oder Dienstleistungen mit ein. Darunter fallen Tätigkeiten und Einrichtungen, die mit dem Verkauf, dem Vertrieb, Transport, Lagerung und Abfallwirtschaft der Produkte eines Unternehmens oder mit der Erbringung von Dienstleistungen zu tun haben. Ausgenommen ist davon lediglich die Entsorgung des Produkts durch den Endkonsumenten. Das Unternehmen hat zwar keine Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die konkrete Nutzung des Produkts oder der Dienstleistung, aber es hat bei der Vermarktung auf die tatsächlichen oder potenziellen Verwendungen seiner Produkte oder Dienstleistungen zu achten, so dass diese im Einklang mit dem Gesetz stehen und nicht zu nachteiligen Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt führen.

Audits im Kontext des LkSG: Häufig gestellte Fragen

Seit Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) am 1. Januar 2023 wurden viele Fragen zum Thema Lieferantenaudits an uns herangetragen. Welche Anforderungen an Lieferantenaudits gehen aus dem LkSG hervor? Wie stelle ich sicher, dass Audits alle LkSG-relevanten Punkte abdecken? Die Antworten zu diesen und anderen Fragen haben wir hier für Sie zusammengefasst.

Zum Blogartikel

Spezifizierung der Sorgfaltspflichten

Wie das LkSG, verlangt der Vorschlag des Parlaments, dass Maßnahmen, die im Rahmen der Sorgfaltspflichten ergriffen werden, angemessen und darüber hinaus auch wirksam sein müssen. Es reicht also nicht, dass Unternehmen irgendeine angemessene Maßnahme ergreifen, sondern diese muss nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt auch wirksam bekämpfen.

Der Vorschlag des Parlaments sieht ebenso wie das LkSG die Entwicklung und Implementierung geeigneter Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken als Hebel für die Achtung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt an. Damit soll u.a. sichergestellt werden, dass Beschäftigte in der Lieferkette einen angemessenen Lohn und Zulieferer ein einträgliches Einkommen erhalten.

Wie die Abhilfe- und Präventionsmaßnahmen des LkSG enthalten die korrespondierenden Maßnahmen der CS3D keine abschließende Auflistung von konkreten zu ergreifenden Maßnahmen sondern lediglich Regelbeispiele, die nur anzuwenden sind, sofern sie relevant sind. Unternehmen können also innovativere Wege gehen als es der jetzige Stand der CS3D vorgibt, um ihre Auswirkungen auf die Menschenrechte zu ermitteln, zu mindern oder zu beenden. Beispiele wären der Einsatz von Menschenrechtsfolgenabschätzungen, die Stärkung von Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft vor Ort oder die Änderung von Geschäftsmodellen der Gestalt, dass sie die Menschenrechte besser respektieren. 

Ausweitung des geschützten Rechtsrahmens

Das LkSG bezieht sich derzeit konkret auf 10 Übereinkommen zu Menschenrechten und 3 weiteren zur Umwelt. Schon der Entwurf der Kommission ging deutlich darüber hinaus. Der Vorschlag des Parlaments erweitert das Regelwerk nun auf nicht weniger als 23 Umwelt- und Menschenrechte, 29 Menschenrechtskonventionen und -erklärungen sowie 15 Umwelt- und Klimaschutzkonventionen. 

Stärkung der Rolle der Stakeholder

Das LkSG misst den Stakeholdern eine eher überschaubare Bedeutung bei. Der Kommissionsvorschlag enthält demgegenüber schon eine Definition der Stakeholder, die sich auf Arbeitnehmer und anderen betroffene Einzelpersonen, Gruppen, Gemeinschaften und Einrichtungen fokussiert. Der Rat erweitert diese Definition wiederum durch Verweise auf spezifische Akteure, bspw. Gewerkschaften, Verbraucher, zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Menschenrechts- und Umweltschützer. Einen noch differenzierteren Ansatz verfolgt das Parlament, das zwischen "betroffenen Stakeholdern" und "gefährdeten Stakeholdern" unterscheidet. Zu den ersteren gehören Einzelpersonen, Gruppen und Gemeinden, deren Rechte oder berechtigte Interessen betroffen sein können, ihre "legitime(n) Vertreter" und "glaubwürdige und erfahrene Organisationen" die sich für den Schutz der Umwelt einsetzen. Die "gefährdeten Stakeholder" bilden wiederum Personenkreise,  die nachteiligen Auswirkungen besonders stark ausgesetzt sind und deren Interessen besonders zu berücksichtigen sind, bspw. indigene Völker.

Beschränkt sich der Kommissionsentwurf noch auf die Einbindung von Stakeholdern bei wenigen Maßnahmen, insbesondere bei Präventions- oder Abhilfemaßnahmen, so sieht der Vorschlag des Parlaments vor, dass die betroffenen Stakeholder in jeder Phase des Sorgfaltspflichtenprozesses eingebunden werden. Die CS3D in der Fassung des Parlaments ist ohne die Stakeholder gar nicht denkbar. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie ein aktives Stakeholdermanagement aufbauen.

Kommunikation

Der Vorschlag des Parlaments sieht vor, dass die Unternehmen die von ihnen getroffenen Sorgfaltsmaßnahmen in den noch zu errichtenden „European Single Access Points (ESAP)“ einspeisen müssen, um so Investoren einen besseren Überblick und Vergleich zu ermöglichen. Der ESAP soll als zentrale Anlaufstelle für öffentliche Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen von EU-Unternehmen und EU-Anlageprodukte dienen und die Ziele des Europäischen Green Deals unterstützen.

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Während sich die deutsche Wirtschaft noch mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz befasst, startet am zeitlichen Horizont schon eine Dreistufenrakete, die sich aus der Green Claims Directive, der Corporate Sustainability Reporting Directive und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive zusammensetzt.

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Eindämmung des Klimawandels und die unternehmensinterne Umsetzung

Der Kommissionsvorschlag verlangt, dass die Unternehmen einen Plan festlegen, mit dem sie sicherstellen, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 C gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind. Des Weiteren soll die Einhaltung dieser Vorgaben bei der Festlegung variabler Vergütungen für das Management gebührend berücksichtigt werden. 

Das Parlament geht darüber hinaus. Es nimmt Bezug auf die Vorgaben der Kommission, verlangt aber zusätzlich, das das Geschäftsmodell und die Strategie im Einklang mit der angestrebten Klimaneutralität der EU bis 2050 sowie der ebenfalls angestrebten Emissionssenkung um 55 Prozent bis 2030 steht. Ist der Plan zur Umsetzung der Klimavorgaben im Entwurf der Kommission noch relativ unspezifisch, so hat das Parlament die Vorgaben in seinem Vorschlag deutlich konkretisiert und erweitert. So wird u.a. gefordert, dass der Plan auch Bestandteil der Finanzplanung wird und dass zeitgebundene Ziele für Scope 1 und 2 Emissionen sowie absolute Ziele für die Senkung von Treibhausemmissionen bis 2030 enthält.

Zusätzlich sollen die Gesellschafter verbindliche Vorgaben für die Geschäftsleitung von Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 1.000 Beschäftigten festlegen, die sicherstellen, dass ein Teil der variablen Vergütung für die Geschäftsleitung an besagten Plan gekoppelt ist.

Sanktionen

Wie im LkSG soll vor der Verhängung einer Sanktion abgewogen werden, wie das betroffene Unternehmen im Vorfeld seine Sorgfaltspflichten umgesetzt und zur Schadensminderung beigetragen hat. Weitere Kriterien sind u.a. die Dauer und Schwere des Verstoßes, Verstöße in der Vergangenheit, Vorteile aus dem Verstoß, Sanktionen für vergleichbare Verstöße in anderen Mitgliedsstaaten. Mögliche Sanktionen können Geldbußen, die Bekanntmachung des Verstoßes unter Nennung des Unternehmens, die Beendigung des Verstoßes sowie die Abgabe einer Unterlassungserklärung, ähnliche Verstöße zu wiederholen sowie das Verbot des Inverkehrbringens oder des Exports von Produkten sein.

Im Gegensatz zur Kommission sieht das Parlament eine Obergrenze für Geldbußen vor, die maximal 5 Prozent des weltweiten Umsatzes des Unternehmens liegen soll.

Umsetzung in nationales Recht

Fraglich dürfte sein, inwieweit der nun vorliegende Vorschlag auch vom Rat akzeptiert wird. Falls es zu langen Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Parlament kommen sollte, könnten diese durch die für den 9. Juni 2024 angesetzten Wahlen zum Parlament unterbrochen werden. Sie würden dann erst nach der Konstituierung des Parlaments im Herbst/Winter 2024 fortgesetzt werden. Die Wahlen könnten möglicherweise zu anderen Stimmenverhältnissen und Meinungen führen. Falls die beiden Parteien sich bis zum Frühjahr 2024 einigen, tritt die Richtlinie größenabhängig drei bzw. vier Jahre nach ihrer Verkündung in Kraft. Wie schon in der Gesetzesbegründung festgehalten, wird das LkSG an die künftige europäische Regelung angepasst.  

Fraglich bleibt, ob Elemente des LkSG, wie bspw. der Menschenrechtsbeauftragte, die bislang in der CS3D nicht vorgesehen sind, durch den Gesetzgeber beibehalten werden. 

Bis dahin bleibt das LkSG vollumfänglich in Kraft, was bei einigen Unternehmen dazu führen kann, dass Sie nach dem LkSG wie auch nach der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung berichten müssen.

Hier können Sie den Stand der Richtlinie über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit zum Zeitpunkt der Verabschiedung durch das EU Parlament am 1. Juni 2023 einsehen: Directive on Corporate Sustainability Due Diligence and amending Directive (EU) 2019/1937

Training: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) - Umsetzung in der Praxis

Bei diesem Training erhalten Sie einen aktuellen Einblick in die praktische Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen und stellen diese auch mit Hilfe von Fallbeispielen anschaulich dar.

Im Fokus stehen dabei die Risikoanalyse und das Risikomanagement. Außerdem wird ein Ausblick auf die European Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und deren Nachhaltigkeitsanforderungen gegeben.

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Autor
Michael Wiedmann

Von Juni 2017 bis Dezember 2020 war Michael Wiedmann als Anwalt für Compliance im Frankfurter Büro von Norton Rose Fulbright tätig. Zuvor hatte er zwei Jahrzehnte verschiedenste Management-Positionen in der METRO Group inne; u. a. war er dort als Chief Compliance Officer, Senior-Vice President Public Affairs, Head of Corporate Development/ General Manager, General Counsel und Company Secretary tätig. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in Compliance-, Governance- und Corporate-Angelegenheiten, die er in die Beratung seiner Mandanten insbesondere bei der Entwicklung und Ausgestaltung von Compliance Management Systemen einbringt. Neben seinem Engagement beim Deutschen Institut für Compliance e.V. (DICO) als Co-Arbeitskreisvorsitzender CSR/Menschenrechte veröffentlicht Michael Wiedmann regelmäßig zu den Themen Menschenrechte und Whistleblowing.

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