BRCGS Food Version 8 ist der erste GFSI zertifizierte Standard, der Anforderungen in Bezug auf eine Lebensmittelsicherheitskultur stellt. In Kürze wird das keine Alleinstellungsmerkmal mehr sein, denn im Februar 2020 werden die aktualisierten Auditkriterien der Global Food Safety Initiative (GFSI) veröffentlicht. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt die Prüfung der Lebensmittelsicherheitskultur. Doch, was ist das eigentlich, wie lässt sich eine Lebensmittelsicherheitskultur beurteilen und pflegen und warum ist sie so bedeutend? Alle Antworten hier:

1. Was ist eine 
Lebensmittelsicherheitskultur?


Die technische Arbeitsgruppe der GFSI definiert Lebensmittelsicherheitskultur als „geteilte Werte, Normen und Überzeugungen, die die Haltung und das Verhalten in Bezug auf Lebensmittelsicherheit innerhalb der Organisation, bereichsübergreifend beeinflussen“. Hört sich das für Sie auch so schwammig an? Lassen Sie uns die Definition einmal genauer unter die Lupe nehmen:

„Geteilte Werte, Normen und Überzeugungen“
Kultur formt sich nicht in Individuen, sondern in Gruppen. Werte werden mit neuen Mitgliedern der Gruppe geteilt und in Form von Normen und Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe gelebt. Input, etwa durch formelle Systeme, wandelt sich durch die menschliche Übersetzung innerhalb der Gruppe und wird zu Normen und Überzeugungen, die von Gruppenmitgliedern geteilt und an neue Mitglieder weitergegeben werden.

Aus diesem Grund wird Kultur als schwer veränderbar wahrgenommen. Schließlich werden nicht die formellen Systeme geändert, wie etwa die Werte, sondern die darunterliegenden Normen und Verhaltensweisen, die in vielen Fällen weder in Worte gefasst noch aufgeschrieben sind.

„Haltung und Verhalten beeinflussen“
Psychologisch gesehen werden unsere Glaubensgrundsätze, Haltung und Verhalten von mehreren Faktoren beeinflusst, unter anderem unserer nationalen Kultur, Erziehung und Lebenserfahrung. In der Arbeitsumgebung werden wir von der Gruppe beeinflusst, mit der wir uns identifizieren, etwa die Abteilung, Kollegen, Funktion und Position, Jobsicherheit, formelle und informelle Autoritäten, unseren eigenen Gewohnheiten und das Bewusstsein in Bezug auf den Job.

Wenn wir untersuchen möchten, wie ausgereift die Lebensmittelsicherheitskultur ist oder wie wir diese Kultur aufrechterhalten und stärken können, müssen wir verstehen, wie die Unternehmenswerte und -mission das Denken der Individuen in den verschiedenen Gruppen beeinflusst. Eine mögliche Fragestellung wäre: Hat jede Person ihre Rolle in der Organisation und die damit verbundenen Anforderungen verstanden und war sie bei der Definition dieser Aufgaben beteiligt? Verstehen die Mitarbeiter, wie ihre Arbeit zur Mission und Ziel des Unternehmens beiträgt?

Fragen wie diese zeigen, wie Gruppen und Individuen das Engagement der Geschäftsführung in Bezug auf Lebensmittelsicherheit einschätzen. Dies ist essentiell für die Lebensmittelsicherheitskultur jeder Organisation.

„Innerhalb der Organisation und bereichsübergreifend“
Einheitslösungen gibt es in der Lebensmittelsicherheitskultur nicht. Um sie zu einer gelebten Realität zu machen, muss Lebensmittelsicherheit durch die Organisation hinweg für jedes Mitglied und jede Abteilung passend und verständlich definiert werden. Schließlich unterscheiden sich beispielsweise die Anforderungen an die Einkaufsabteilung stark von den Anforderungen an das Wartungsteam. Der Einkauf muss verstehen, wie wichtig es ist, Lieferanten auszuwählen, die wirtschaftlich tragbar sind und gleichzeitig den Lebensmittelsicherheitsanforderungen des Unternehmens entsprechen – nicht nur eines von beidem. Gleichermaßen muss das Wartungsteam auf den Zustand der Geräte achten, um dafür zu sorgen, dass sowohl die Betriebszeit maximiert wird als auch die Lebensmittelsicherheitsleistung. In kleineren Betrieben hat der/die Geschäftsführer/in eine Vorbildfunktion und beeinflusst die Lebensmittelsicherheit erheblich. Für eine ausgereifte Lebensmittelsicherheitskultur müssen Vision und Mission des Unternehmens für jede Abteilung und Person individuell angepasst werden.

2. Wie lässt sich die Lebensmittelsicherheitskultur beurteilen und pflegen?


Im Gegensatz zu Standards und Gesetzen kann eine Lebensmittelsicherheitskultur nicht einfach implementiert werden. Sie entwickelt sich spontan und instinktiv, zeigt sich etwa in Ritualen, Betriebsklima oder Grundwerten. Achtung: Dies sind lediglich Manifestationen der Kultur, nicht aber die Kultur selbst.

Um etwas so schwer Greifbares pflegen zu können, muss zunächst analysiert werden, wie es in diesem Moment um die Lebensmittelsicherheitskultur steht. Dabei kann das BRCGS Food Safety Culture Excellence Module Hilfestellung leisten. Durch eine anonyme Mitarbeiterbefragung soll der aktuelle Zustand der Lebensmittelsicherheitskultur abgebildet werden. Nach Abschluss der Befragung wird ein Bericht ausgestellt, der den aktuellen Zustand der Lebensmittelsicherheit reflektiert und generelle Empfehlungen zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheitskultur gibt. Das System baut auf 19 Jahren wissenschaftlicher Untersuchungen und Branchenerfahrung auf und basiert auf einer Struktur, die sich mit vier Dimensionen der Lebensmittelsicherheitskultur auseinandersetzt: People, Process, Purpose und Proactivity. Hier erhalten Sie alle Informationen zum BRCGS Food Safety Culture Excellence Modul.

Auch GFSI hat ein Positionspapier zum Thema Lebensmittelsicherheitskultur veröffentlicht und behandelt darin drei Schwerpunkte:

  1. Die entscheidende Rolle von Führungskräften innerhalb einer Organisation bei der Umsetzung (ein Punkt, der auch in der Revision der ISO 9001:2015 eine bedeutende Rolle einnimmt)
  2. Faktoren wie Kommunikation, (Aus-)Bildung, Zusammenarbeit und persönliche Haftung
  3. Wie erlernte Fähigkeiten wie z.B. Anpassungsvermögen oder Gefahrenbewusstsein Lebensmittelsicherheitspraktiken von der Theorie in die Praxis überführen.

Das vollständige Dokument der GFSI Arbeitsgruppe mit dem Titel „A Culture of Food Safety“ können Sie hier auf Englisch herunterladen.

Der Widerspruch zwischen einer sich spontan und instinktiv entwickelnden Kultur und den angebotenen Ratgebern und Checklisten wird von GFSI übrigens anerkannt. Das Thema sei jedoch zu wichtig, um es nicht zu behandeln. GFSI gibt an, dass alle Informationen des Positionspapiers der direkten menschlichen Erfahrung und weitreichenden Beobachtungen entnommen wurden. So spiegelt das Positionspapier soweit wie möglich die Realität wieder.

3. Warum ist Lebensmittelsicherheitskultur so bedeutend?


Eine Unternehmenskultur die Lebensmittelsicherheit großschreibt zeigt Mitarbeitern direkt und indirekt, dass Lebensmittelsicherheit wichtig ist und notwendig, um in dem Unternehmen Erfolg zu haben. Das beeinflusst das Verhalten und hilft dafür Sorgen zu tragen, dass Mitarbeiter richtig handeln.

Obwohl oder gerade weil kulturelle Standards keinen formellen Regeln und geraden Linien folgen, oft in beiläufigen Unterhaltungen weitergegeben und durch Gedanken und Handlungen verstärkt werden, verankern sie sich im Unterbewusstsein. Das unterbewusste Bekenntnis zur Lebensmittelsicherheit zeigt tatsächlich Wirkung. Umfragen von BRCGS zeigen, dass Unternehmen, die das Food Safety Culture Excellence Module angewendet haben, das Risiko von Lebensmittelsicherheitsvorfällen um 84% verringern konnten. Eine unzureichende Lebensmittelsicherheitskultur erhöht hingegen die Anfälligkeit des Unternehmens für Food Fraud. In Hinblick darauf macht es durchaus Sinn, dass 80% aller Lebensmittelexperten der Meinung sind, dass die Etablierung einer Lebensmittelsicherheitskultur der wichtigste Job jedes technischen Leiters ist.

Autor
Constanze Illner

Constanze Illner (sie/ihr) ist Research und Kommunikationsbeauftragte im Bereich Nachhaltigkeit und Lebensmittelsicherheit. In dieser Position behält sie alle wichtigen Entwicklungen in diesem Zusammenhang im Auge und informiert unsere Kundschaft in einem monatlichen Newsletter. Außerdem moderiert sie die alljährliche Sustainability Heroes Konferenz.

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