SARS-CoV-2 (oder auch „Das Coronavirus“) bestimmte im Jahr 2020 unser aller Leben. Im Privaten ist es möglich, diese gänzlich neue Situation durch individuelle Rücksichtnahme und Sorgfalt zu steuern. Doch wie sieht es im Beruflichen aus? Was können und müssen Arbeitgeber für die Sicherheit ihrer Mitarbeitenden tun? Wie können sie deren Schutz gewährleisten? Und welchen Beitrag können Managementsystemnormen dazu leisten?

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Der BMAS Arbeitsschutzstandard im Zusammenspiel mit ISO 45001 und ISO 31000

Am 16. April 2020 stellte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard zu COVID 19 vor. Hierin finden sich praxisbezogene Leitlinien, die den Unternehmen in Zeiten der Corona-Pandemie Handlungshilfen bieten. Der neue Standard formuliert konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz und unterstützt die Organisation, ihre Mitarbeitenden vor Ansteckung zu schützen.

Der Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist nicht, wie ein Gesetz, rechtsbindend. Er gilt jedoch insofern als verbindlich, da Organisationen jederzeit ihrer Fürsorgepflicht (§ 618 Bürgerliches Gesetzbuch) nachkommen müssen. Der neue BMAS Standard ist in die folgenden zwei Bereiche eingebettet:

  • Arbeitsschutz
    Gemäß § 3 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz) sind Beschäftigte vor Risiken und Gefahren, die Auswirkungen auf ihre Sicherheit und/oder Gesundheit haben können, zu bewahren. Und: Dieser Schutz ist fortlaufend zu verbessern, entsprechend eines Managementsystems nach ISO 45001 für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.
     
  • Risikomanagement
    Die oberste Unternehmensleitung unterliegt verbindlichen Abwendungspflichten für materielle und immaterielle Schäden (Schadensabwendungspflichten), die entstehen können:
    – der Organisation selbst
    – den Gesellschaftern, Aktionären und/oder Inhabern
    – den Mitarbeitern und Nachunternehmern
    – der Öffentlichkeit, Gesellschaft und/oder Umwelt

    Das systematische Managen von Risiken kann auf Basis der internationalen Norm für Risikomanagement ISO 31000 erfolgen.
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ISO 45001 – Kompass für Arbeits- und Gesundheitsschutz

Führung und Verpflichtung

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  • Einhaltung bindender Verpflichtungen
  • Fürsorgepflicht für die anvertrauten Mitarbeiter
  • Das A und O: Eine Unternehmenskultur des Vertrauens
  • Klassische (SGA-)Mängel

Der vom BMAS veröffentlichte Maßnahmenkatalog hilft sowohl kleinen als auch großen Unternehmen, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen. Und: Er hilft auch solchen Unternehmen, die bisher nicht in den oben genannten Bereichen zertifiziert sind, mit den aktuellen Herausforderungen adäquat umzugehen.

Wichtig zu wissen: Mit der bloßen Umsetzung der Maßnahmenempfehlungen, die dem Arbeitgeber obliegenden, werden rechtliche und sonstige Verpflichtungen nicht vollständig erfüllt.

Sicherheit am Arbeitsplatz mit dem BMAS Arbeitsschutzstandard

Der bundeseinheitliche SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard richtet sich an alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist gemäß Arbeitsschutz dafür verantwortlich, von den Arbeitsbedingungen ausgehende Gefährdungen zu vermeiden. Dabei ist festzustellen, dass das Infektionsrisiko keine unmittelbar durch die Arbeit verursachte Gefährdung ist. Hiervon ausgenommen sind Berufe in der Gesundheitspflege oder Betreuung. Doch die Pandemie macht an den Arbeitstoren nicht halt. So lässt sich im Fall des Coronavirus eine Verzahnung zwischen Beruflichem und Privatem nicht vermeiden.

Vielmehr gilt es, die jeweiligen Verhältnisse der Organisation zu berücksichtigen, wie beispielsweise die
– Branche
– Kundenanforderungen
– Erwartungen der interessierten Parteien
– örtliche Gegebenheiten etc.

Die Schutzmaßnahmen müssen generell dem jeweiligen Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Mit Blick auf das Infektionsrisiko sind bereits vorhandene Gefährdungsbeurteilungen zu überprüfen und anzupassen oder neue Gefährdungsbeurteilungen gemäß Arbeitsschutzgesetz zu erstellen.

Der Maßnahmenplan ist ein lebendiges Dokument, das von der Organisation immer wieder anzupassen ist.

Konkrete Maßnahmen des BMAS Arbeitsschutzstandard

Grundsätzlich gilt, dass ein Infektionsnotfallplan, der sich an den Empfehlungen des RKI (Robert-Koch-Institut) ausrichtet, vorhanden sein beziehungsweise in ein bestehendes Risikomanagement eingebettet sein sollte. Außerdem rät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dazu, dass sich Menschen mit Atemwegssymptomen oder Fieber nicht auf dem Betriebsgelände aufhalten. Dies kann spätestens beim Betreten des Betriebsgeländes über kontaktloses Fiebermessen abgeklärt werden. Auch ein Mindestabstand von 1,5 Metern ist einzuhalten. Ist dies nicht möglich, herrscht die Tragepflicht einer Mund-Nasen-Bedeckung. Ist diese nicht vorhanden, muss sie gegebenenfalls zur Verfügung gestellt werden.

Im Kapitel II des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards werden zeitlich befristete Maßnahmen nach dem TOP-Prinzip (Technische, Organisatorische, Personenbezogene Maßnahmen) aufgezeigt. Diese sollten von den betreffenden Unternehmen überarbeitet, angepasst und angewendet werden. Zur Festlegung sollten die Geschäftsleitung mit Mitgliedern des Arbeitsausschusses (ASA), dem Betriebsrat oder der Mitarbeitervertretung zusammenkommen.

ISO 45001 – Zertifiziertes Arbeitsschutzmanagement

Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit mit neuen Facetten ☆ internationaler Standard ☆ Einhaltung der bindenden Verpflichtungen 

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Technische Maßnahmen

Beispiele für technische Maßnahmen aus dem „Betrieblichen Maßnahmenkonzept für zeitlich befristete zusätzliche Maßnahmen zum Infektionsschutz vor SARS-CoV-2 (SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard)“ können sein:

  • Arbeitsplatzgestaltung
    Besteht die Möglichkeit für Homeoffice? Ist ein Mindestabstand von 1,50 Metern am Arbeitsplatz möglich oder können transparente Abtrennungen genutzt werden?
  • Sanitärräume, Kantinen und Pausenräume
    Können Warteschlangen durch versetzte Pausenzeiten bei der Essensausgabe, bei der Geschirrrückgabe, an der Kasse vermieden werden? Wie können Reinigungsintervalle für Sanitäreinrichtungen und Gemeinschaftsräume angepasst werden?
  • Dienstreisen und Meetings
    Kann die Anzahl von Dienstreisen reduziert werden? Können technische Alternativen wie Telefon- oder Videokonferenzen zum Einsatz kommen?

Organisatorische Maßnahmen

Beispiele für organisatorische Schutzmaßnahmen können sein:

  • Arbeitsmittel/Werkzeuge
    Ist eine regelmäßige Reinigung möglich? Können Werkzeuge und Arbeitsmittel personenbezogen verwendet werden?
  • Aufbewahrung und Reinigung von Arbeitskleidung und Persönliche Schutzausrüstung
    Ist eine getrennte Aufbewahrung von Arbeitskleidung/Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Alltagskleidung möglich? Kann Arbeitskleidung/PSA adäquat entsorgt werden?
  • Psychische Belastungen durch Corona minimieren
    Wie ist mit einer langandauernden hohen Arbeitsintensität in systemrelevanten Branchen oder den Anforderungen des Social Distancing umzugehen?
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ISO 45001 – Planung von Maßnahmen

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Die SGA-Norm unterstützt die Umsetzung der Führungsverantwortung
unter Berücksichtigung aller arbeitsschutzrechtlichen Auflagen und
gesetzlichen Vorschriften. Dabei ist die Bewertung von Risiken und Chancen sowie die Planung geeigneter Maßnahmen eine grundlegende Normanforderung. Spannendes Thema? Mehr im aktuellen kostenfreien Whitepaper lesen.

Personenbezogene Maßnahmen

Beispiele für personenbezogene Schutzmaßnahmen können sein:

  • Mund-Nasen-Schutz und Persönliche Schutzausrüstung
    Werden bei fehlendem Mindestabstand Mund-Nasen-Bedeckungen zur Verfügung gestellt? Wird eine bestehende Tragepflicht umgesetzt?
  • Unterweisung und aktive Kommunikation
    Sind einheitliche Ansprechpartner vorhanden? Wurden Schutzmaßnahmen erklärt? Werden persönliche und organisatorische Hygieneregeln eingehalten?
  • Arbeitsmedizinische Vorsorge und Schutz besonders gefährdeter Personen
    Können sich Beschäftigte vom Betriebsarzt zu Vorerkrankungen beraten lassen? Werden Ängste und psychische Belastungen, die durch die Corona-Pandemie entstehen, thematisiert?

Umsetzung des BMAS Arbeitsschutzstandards 

Es lohnt sich, zu Beginn alle Punkte des BMAS Standards für Arbeitsschutz durchzugehen. Die Themen, die das eigene Unternehmen nicht betreffen, können danach weggelassen und ein eigenes betriebliches Maßnahmenkonzept entwickelt werden. Grundsätzlich ist es wichtig, Themen zu sammeln, daraus entsprechende Schutzmaßnahmen abzuleiten, zu terminieren und praxiswirksam werden zu lassen. Weiterhin sollte alles dokumentiert werden.

Die Dokumentation sollte folgendes aufzeigen:

  • Welche Ideen und Themen wurden besprochen?
  • Was davon kann umgesetzt werden?
  • Warum wurde sich für oder gegen eine Maßnahme entschieden?
  • Welche Schutzmaßnahmen werden umgesetzt?

Weiterhin gilt es, den Umgang mit Risiken zuverlässig nachzuhalten. An dieser Stelle sei gesagt: Es kann nie zu viel dokumentiert werden! So kann dem Unternehmen, sollte es hart auf hart kommen, keine Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz vorgeworfen werfen.

ISO/PAS 45005 – technische Regel für Arbeitsschutz

Im Dezember 2020 ist die technische Regel ISO/PAS 45005 erschienen. Sie enthält Richtlinien für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (SGA), die auf den Umgang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie am Arbeitsplatz zielen. Der Leitfaden eignet sich für Unternehmen jeder Branche, Art und Größe. Seine Herangehensweise ist risikobasiert und praxisorientiert, die Integration in bestehende ISO-Managementsysteme ist möglich.

Unternehmen, die über ein SGA-Managementsystem gemäß DIN ISO 45001 (oder neuerdings gemäß DIN EN ISO 45001:2023) verfügen, können die Leitlinien unmittelbar in ihren PDCA-Zyklus integrieren. Diese beziehen sich größtenteils auf die Anforderungen der SGA-Norm, allerdings stimmt die Nummerierung der Kapitel des Leitfadens nicht mit der gemeinsamen Grundstruktur "High Level Strructure" der aktuellen ISO-Managementsystemnormen überein.

ISO 31000 – Risikomanagement

Risikomanagement ist Chefsache ☆ ISO 31000 gibt Anleitung zur Implementierung eines unternehmensweit wirksamen Risikomanagementsystems

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Fazit: Warum sollten Sie sich mit dem BMAS Arbeitsschutzstandard beschäftigen?

Besonders vor dem Hintergrund, dass die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) es ablehnt, für Schäden aufzukommen, die sich auf eine Ansteckung am Arbeitsplatz mit Covid-19 zurückführen lassen und die Rechtslage bei solchen Corona-Infektionen noch immer nicht abschließend von Sozialgerichten geklärt ist, tun Arbeitgeber gut daran, den BMAS Arbeitsschutzstandard in ihrem Unternehmen zum Einsatz zu bringen.

Diese Empfehlung gilt natürlich nicht nur für akute Situationen. Auch nach der Corona-Pandemie sind ein Maßnahmenplan gemäß der internationalen Norm für Arbeits- und Gesundheitsschutz ISO 45001 sowie eine Risikoeinschätzung gemäß ISO 31000 (Risikomanagement) jederzeit ein hilfreiches Instrument im unternehmerischen Alltag.

DQS – Was wir für Sie tun können

Auf externe Expertise zurückzugreifen, ist ein bewährtes Mittel, um nicht den Überblick zu verlieren – nicht nur in Krisenzeiten. Frei nach dem Vier-Augen-Prinzip: Es hilft ein Blick von außen, um Schwachstellen im betrieblichen Maßnahmenkonzept zu entdecken und wertvolle Unterstützung bei der Risikoerkennung und Maßnahmenumsetzung zu erhalten.

Die DQS begutachtet entsprechend des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards, ob Ihr Unternehmen

  • notwendige Vorsorgemaßnahmen ergriffen hat
  • alle Dokumentationsaspekte und -pflichten berücksichtigt
  • Risiken erkennt und entsprechende Maßnahmen ableitet
  • dokumentiert hat, ob die Maßnahmen entsprechend der Risikobeurteilung angemessen sind
  • über Verbesserungspotenzial verfügt
  • Risiken in der Lieferkette aufweist

Unsere Begutachtung erfolgt an einem Tag vor Ort. Zum Abschluss erhält Ihr Unternehmen einen Bericht und eine Bescheinigung.

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Wichtiger Hinweis: ISO 45001 hat BS OHSAS 18001 abgelöst

Am 30. September 2021 hat die internationale ISO-Norm 45001 den seit über 20 Jahren für Arbeitsschutzmanagement relevanten britischen Standard abgelöst. Alle Zertifikate gemäß BS OHSAS 18001 haben seither ihre Gültigkeit verloren.

Unternehmen, die über ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem und/oder Umweltmanagementsystem verfügen, sind mit dem Vorgehen und den vom International Accreditation Forum (IAF) festgelegten Übergangsfristen in der Regel vertraut: Für den Umstieg wurde eine dreijährige Übergangsfrist festgelegt.

Autor
Frank Machalz

Langjähriger Auditor der DQS für den Bereich Risiko- und Compliance Management und dessen Subsysteme, wie beispielsweise Antikorruption, Business Continuität, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Umweltschutz oder Produktsicherheit. Seine interdisziplinäre Kompetenz wird besonders von Kunden mit einem integrierten, ganzheitlichen (Risiko) Managementsystem geschätzt. Darüber hinaus bringt Herr Machalz seine Expertise in den verschiedenen Gremien u.a. bei der Normungsarbeit beim DIN, der IHK Berlin und als Beiratsvorsitzender der Control Union Certifications Germany GmbH ein und partizipiert zugleich an dem Wissen und der Erfahrung der anderen Gremienmitglieder.

Als Geschäftsführer der envigration GmbH – Risk & Compliance Management in Berlin ist Frank Machalz mit seinem aus weiteren Juristen sowie Steuerberatern, Betriebswirten, Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Geisteswissenschaftlern und Psychologen bestehenden interdisziplinären Team seit vielen Jahren branchenübergreifend für internationale und nationale Organisationen beratend und betreuend tätig. Er und sein Team geben ihre jeweilige Fachexpertise regelmäßig auch in internen und externen Schulungsveranstaltungen weiter.

Frank Machalz ist Mitglied im DIN Normenausschuss Organisationsprozesse (NA Org) NA 175 –00 –01 AA Governance und Compliance Management. Seit mehreren Jahren wirkt hier aktiv bei der Erarbeitung der Norm ISO 37301 sowie von ISO 37000 und der DIN ISO 37002 mit. Darüber hinaus bringt er seine Expertise und Erfahrungen auch im Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ) NA 147-00-03-21 ein und wird hier aktiv bei der Erarbeitung der künftigen ISO 17021-13 mitwirken.

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