Wichtige Informationen zu Ihrem Zulassungsverfahren

Wie Sie im zurückliegenden Jahr sicherlich verschiedenen Medienberichten, Zeitungsartikeln aber auch Stellungnahmen von Politik, Industrie- und Interessensverbänden entnommen haben, haben die Vorgänge rund um den Skandal mit Brustimplantaten eine intensive Diskussion ausgelöst. Unstrittig war und ist bei allen Beteiligten, dass es in der Verantwortung der Hersteller liegt die Sicherheit von Medizinprodukten zu gewährleisten. Aber auch in Bezug auf die Zulassungs- und Überwachungsverfahren wurde Handlungsbedarf gesehen.

Im Ergebnis hat dies nun dazu geführt, dass die DQS Medizinprodukte GmbH wie auch alle anderen benannten Stellen in Europa aufgefordert sind, ab diesem Jahr auf der Grundlage der Recommendation 2013/473/EU unangekündigte Audits bei Herstellern und erforderlichenfalls bei deren wesentlichen Lieferanten durchzuführen.

Uns ist bewusst, dass dies eine organisatorische und logistische Belastung für alle Beteiligten darstellt. Wir geben jedoch auch zu bedenken, dass hiermit alle Akteure einen Beitrag dazu leisten das Vertrauen in die Sicherheit der Zulassung von Medizinprodukten sowie der systematischen Kontrolle der Produkte und deren Hersteller zu stärken.

Nachfolgend haben wir einige weiterführende Informationen und Erläuterungen zur Recommendation 2013/473/EU und zu den Rahmenbedingungen der unangekündigten Audits für Sie zusammengefasst.

Anhang I – Produktbewertung
Dieser Anhang beschreibt die Anforderungen an die Benannten Stellen hinsichtlich der Prüfung von EG-Auslegungsdokumentationen und EG-Baumusterprüfungen. Diese Beschreibung stellt im Wesentlichen keine neue Anforderungen auf, sondern präzisiert die bisherigen Anforderungen. Die DQS MED hat bereits in der Vergangenheit die Prüfung von EG-Auslegungsdokumentationen nach Anh. II Abschnitt 4 der Richtlinie 93/42/EWG nach diesen Kriterien durchgeführt. Lediglich die Fokussierung auf „alle“ Gefahren intensiviert den Aspekt des Risikomanagements und bezieht sich damit auf die aktuelle Fassung der DIN EN ISO 14971.

Anhang II – Bewertung des Qualitätssicherungssystems
Im Kern beziehen sich die Beschreibungen auf die Durchführung von Prüfungen im Stichprobenverfahren und auf Prüfungen von technischen Dokumentationen im Allgemeinen.

Seitdem das NBOG-Dokument BPG 2010-3 veröffentlicht wurde, existiert ein Leitfaden für die Ermittlung des Stichprobenumfanges für Prüfungen von technischen Dokumentationen. Entgegen der Aussage dieses Dokuments, der den Benannten Stellen als Anleitung gedient hat, regelt die Empfehlung nun, dass innerhalb eines Zertifizierungszyklus aus jeder Produktsubkategorie mindestens ein Produkt als Stichprobe ausgewählt und geprüft wird. Davon betroffen werden vorrangig solche Hersteller sein, welche ein breites Produktportfolio über mehrere Subkategorien hinweg verfügen. Davon unberührt bleibt jedoch auch die Vorgabe, dass auf lange Sicht das Ziel ist, dass alle technischen Dokumentationen eines Herstellers durch die Benannte Stelle geprüft werden.

Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Aspekt ist der Hinweis, dass Benannte Stellen nun, sollten sich Zweifel an der Konformität eines Produktes ergeben, angehalten sind, Produkttests durchzuführen oder durchführen zu lassen.

Für die Feststellung der Konformität ist es zukünftig auch vorgesehen, dass die Benannten Stellen den Materialfluss und den Materialeinsatz prüfen, sowohl in Art und Beschaffenheit als auch mengenmäßig in Relation zu den hergestellten Endprodukten.

Auch der Begriff der wesentlichen Lieferanten und Unterauftragnehmer findet eine Umdeutung statt. So sind zukünftig nicht nur die direkten Lieferanten mit Einfluss auf die Produktqualität einbezogen, sondern auch Lieferanten und Unterauftragnehmer dieser wesentlichen Lieferanten. Dies bedeutet für Sie als Hersteller eine wesentlich feingliedrigere und weitreichendere Auflösung entlang der Lieferkette, als dies bisher praktiziert wurde.

Mit von Bedeutung im Zusammenhang mit den Interpretationen zu den Lieferanten sind auch die Aspekte hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Hersteller.

1. Jeder Hersteller soll zukünftig ihren Pflichten ungeachtet jeder teilweisen oder vollständigen Auslagerung der Produktion auf Unterauftragnehmer oder Lieferanten persönlich nachkommen müssen.

2. Hersteller sollen der Verpflichtung zum Nachweis einer vollständigen Dokumentation nicht mehr mittels Verweis auf die technische Dokumentation oder das Qualitätssicherungssystem ihrer Unterauftragnehmer oder Lieferanten nachkommen können, sondern sollen die entsprechenden technischen Dokumentationen selbst in vollständiger Weise vorhalten.

3. Hersteller sollen zukünftig das Qualitätssicherungssystem der Unterauftragnehmer von entscheidender Bedeutung und der wichtigen Lieferanten in das eigene Qualitätssicherungssystem integrieren.

4. Hersteller sollen zukünftig die Qualität der erbrachten Leistungen und der gelieferten Komponenten ebenso wie die Qualität der Produktion unabhängig von der Länge der vertraglichen Kette zwischen dem Hersteller und den Unterauftragnehmern kontrollieren.

Anhang III – Unangekündigte Audits
Die Benannten Stellen werden nun aufgefordert, unangekündigte Audits geplant und zyklisch, zumindest alle drei Jahre, bei jedem Hersteller durchzuführen, wobei bestimmte Faktoren wie das vom Produkt ausgehende Risiko, Nichtkonformitäten, Vorkommnismeldungen, Rückrufe und auch Beschwerden dazu vorgesehen sind, die Häufigkeit dieser unangekündigten Audits zu beeinflussen.
Wesentlich ist dabei, dass diese unangekündigten Audits nicht ersatzweise zu den regulär geplanten Audits, sondern zusätzlich durchgeführt werden sollen.

Die Mindestdauer für ein unangekündigtes Audit wird in der Recommendation mit mindestens einem Tag festgesetzt und soll von mindestens zwei Auditoren durchgeführt werden.
Dabei besteht auch die Möglichkeit, sollten wesentliche Prozesse im Zusammenhang mit der Produktentstehung ausgelagert sein, die betreffenden Unterauftragnehmer oder Lieferanten in ihren Betriebsräumen unangekündigt aufzusuchen, um das Audit dort durchzuführen.

Im Fokus stehen bei den unangekündigten Audits sowohl die Produktbewertung wie auch die Bewertung des Qualitätssicherungssystems. Für die Produktbewertung wird eine Probe, wenn möglich aus der laufenden Produktion, auf die Übereinstimmung mit den Angaben der technischen Dokumentation hin überprüft, wobei die Anzahl der Proben in Abhängigkeit der Komplexität und des Produktrisikos variabel ist und durch aus mehrere Proben in Anspruch nehmen kann.
In Bezug auf das Qualitätssicherungssystem soll geprüft werden, ob die zum Zeitpunkt des unangekündigten Audits laufenden Tätigkeiten hinsichtlich der Produktrealisierung (z.B. Herstellung, Einkauf, Qualitätskontrolle) entsprechend der im System dokumentierten Vorgaben erfolgen und dabei auch geeignet sind, die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen.

Wichtig!
Beachten Sie bitte, dass diese unangekündigten Audits für Sie als Hersteller wichtig für die Aufrechterhaltung der Zertifizierung. Alleine schon die Vorbereitung des Unternehmens kann nicht erfolgen wie bei den regulär geplanten Audits und stellt damit einen besonderen Anspruch. Eventuell sind wichtige Mitarbeiter nicht anwesend, so dass bspw. weitreichendere Schulungen oder Vertretungsregelungen erforderlich sind, um das unangekündigte Audit zu ermöglichen. Ihren Mitarbeitern können Regelungen helfen, wie die oberste Managementebene zu informieren ist, wenn sich ein Auditorenteam unangekündigt bei Ihnen vor der Tür steht. Sorgen Sie dafür, dass der Zugang zu Produktion und zum Lager jederzeit gewährleistet ist und dass dem Auditorenteam auch Begleitpersonen zugeordnet werden.
Denken Sie auch daran, Ihre wesentlichen Lieferanten und Unterauftragnehmer von entscheidender Bedeutung entsprechend einweisen und gegebenenfalls erforderliche vertragliche Regelungen ergänzen, um auch dort ein unangekündigtes Audit zu ermöglichen.

Seien Sie darauf vorbereitet, dass ein unangekündigtes Audit jederzeit erfolgen kann!

Autor
Francine Emakam

Francine Emakam ist Teamkoordinatorin Änderungsmeldungen & Unangekündigte Audits und weiterhin als leitende Auditorin tätig. In dieser Position koordiniert sie die Zertifizierungsprozesse nach der Verordnung (EU) VO 2017/745 für Medizinprodukte der Klassen lll und llb Implantate sowie produktspezifische Änderungen/Ergänzungen an bestehenden Medizinprodukten aller Risikoklassen und steht in engem Austausch mit unseren Kunden, Gutachtern und zuständigen Behörden.

Die Koordination der Planung und Prozessabwicklung von unangekündigten Audits bei Herstellern von Medizinprodukten runden ihr Aufgabengebiet ab. Als interne Ansprechpartnerin für klinische Fragen im Rahmen von Zertifizierungsverfahren steht sie unseren Kunden und Gutachtern mit Rat und Tat zur Seite. Zu ihren Interessen gehören die Zertifizierung von Managementsystemen und Medizinprodukten.

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