Die Einhaltung von bindenden Verpflichtungen (compliance obligations) gegenüber den interessierten Parteien ist eines der Kernthemen in ISO 14001. Das Unternehmen muss dabei die Risiken und Chancen in Bezug auf Umweltaspekte, anwendbare gesetzliche Verpflichtungen und freiwillig akzeptierte Verpflichtungen ermitteln. Unter Beachtung der Verantwortung der obersten Leitung für den Gesamtprozess der wirksamen Ein- und Fortführung des organisationsbezogenen Umweltmanagements, rückt auch die Thematik der wirksamen Pflichtenübertragung in das Zentrum der praktischen Umsetzungsforderungen.

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Bindende Verpflichtungen in ISO 14001

Bindende Verpflichtungen einer Organisation umfassen nach der internationalen Umweltnorm ISO 14001 gemäß Kapitel 6.1.3 rechtliche und andere Verpflichtungen. Eine Hierarchie zwischen rechtlichen und sonstigen, selbst auferlegten Verpflichtungen besteht nicht.

Der Begriff „bindende Verpflichtungen“ ersetzt mit gleicher Bedeutung den Ausdruck „rechtliche Verpflichtungen und andere Anforderungen, gegenüber denen sich die Organisation verpflichtet hat“.

Grundlage für die Ermittlung der bindenden Verpflichtungen ist das Verständnis einer Organisation und ihres Kontextes (Kapitel 4). Dafür muss das Unternehmen zunächst externe und interne Themen definieren, die für den Unternehmenszweck relevant sind. Dem folgend müssen die interessierten Parteien mit ihren speziellen relevanten Erfordernissen und Erwartungen (Anforderungen) an das Umweltmanagementsystem bestimmt werden. Darauf aufbauend ergeben sich aus diesen Erfordernissen und Erwartungen die für das Unternehmen geltenden bindenden Verpflichtungen.

Somit ergibt sich zunächst folgende Frage: Woraus entstehen für wen Bindungswirkungen und was ist Inhalt der jeweiligen Pflichtenbindung?

Im Rahmen einer Risiken und Chancen Betrachtung – ebenfalls ein Aspekt aus der Norm – ist zu ermitteln, welche Chancen aus der Erfüllung bindender Verpflichtungen und welche Risiken aus deren Nichterfüllung bestehen.

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Rechtliche und andere verbindliche Verpflichtungen

Verbindliche Verpflichtungen ergeben sich grundsätzlich aus der Trinität, aus geschriebenem, gesprochenem und geschaffenem Recht sowie aus den Rechtsgebieten Strafrecht und öffentliches Recht.

Geschriebenes Recht

Dem geschriebenen Recht lässt sich, nach Rangfolge gegliedert, das Folgende zuordnen: die organisationsrelevanten Bereiche des Europarechts (Richtlinien und Rechtsverordnungen), des Bundesrechts und des Landesrechts, jeweils gegliedert in Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, das kommunale Satzungsrecht sowie weitere Regelwerke wie beispielsweise DIN-Vorschriften. Gerade dem Bereich des kommunalen Satzungsrechts schenken viele Unternehmen in der Praxis nicht die gebührende Aufmerksamkeit. Hierunter fallen beispielsweise Abfallsatzungen, Abwassersatzungen, Bebauungspläne und ähnliches.

Gesprochenes Recht

Zum gesprochenen Recht gehören abschließende gerichtliche Entscheidungen. Hier ist die unmittelbare Bindungswirkung für die Organisation jedoch nur dann gegeben, wenn sie Beteiligte (Klägerin oder Beklagte) im Verfahren war. Ansonsten haben auch Gerichtsentscheidungen der höchsten Instanzen (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, Bundesfinanzhof) aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Judikative keine allgemeine Bindungswirkung.

Geschaffenes Recht

Privates Vertragsrecht

Für die organisationsbezogene Praxis und zur Sicherstellung einer Legal Compliance sind Kenntnisse über ergangene Leitentscheidungen der höchsten Gerichtsinstanzen allerdings sinnvoll. Während die vorgenannten Inhalte jedermann klar sind, ist dies im Bereich des geschaffenen Rechts häufig nicht der Fall. Zunächst ist hier der für jedes Unternehmen mit einem operativen Geschäft höchst relevante Aspekt des Vertragsrechts zu verstehen.

Sei es die Kundenbeziehung, die Lieferantenbeziehung, der Arbeitsvertrag oder der Mietvertrag für Gebäude und Maschinen: Tagtäglich werden Verträge geschlossen, erfüllt und beendet.

Diese Verträge beruhen grundsätzlich ebenfalls auf dem Gesetz – hier greift das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Allerdings kann jede Vertragspartei die Auswahl des Vertragspartners selbst bestimmen. Die Entscheidung, mit wem ich einen Vertrag schließen möchte und mit wem vielleicht auch nicht, kann jede Vertragspartei selbst bestimmen. Ebenso verhält es sich mit den konkreten Vertragsinhalten.

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Insoweit hat das Vertragsrecht auch eine gewisse Freiwilligkeit, die aber verbindlich wird, wenn der Vertrag geschlossen wurde. Die Bindungswirkung tritt, anders als beim Gesetz, nur zwischen den jeweiligen Vertragsparteien ein. Beim Gesetz ist derjenige, der unter den jeweiligen Anwendungsbereich fällt, an das Gesetz gebunden und hat die dortigen Pflichten zu erfüllen, beispielsweise Anlagenbetreiber oder Abfallerzeuger.

Behördliche Einzelentscheidungen (Verwaltungsakte etc.)

Neben dieser eher privatrechtlichen Komponente, gibt es aber auch im Bereich des öffentlichen Rechts und Verwaltungsrechts eine Bindung, die zwar ebenfalls grundsätzlich auf einem Gesetz ooder Ähnlichem basiert, aber ähnlich wie beim Vertrag nur eine beschränkte Bindungswirkung entfaltet – hier gegenüber dem Adressaten. Gemeint ist der Verwaltungsakt.

Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ist dieser eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts in einem Einzelfall mit Außenwirkung. Jede behördliche Genehmigung, nachträgliche Anordnung und jeder Gebührenbescheid ist ein solcher Verwaltungsakt. Auch hier gibt es eine gewisse Freiwilligkeitskomponente (ich muss ja schließlich kein Haus bauen oder eine genehmigungsbedürftige Anlage errichten wollen), die aber im Kontext mit den Begrifflichkeiten von ISO 14001 unbeachtlich ist.

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Freiwillige Verpflichtungen

Anders als bei den verbindlichen Verpflichtungen entsteht die Bindungswirkung hier auf Basis freiwilliger Entscheidungen des jeweiligen Unternehmens. So kann zum Beispiel ein veröffentlichter Nachhaltigkeitsreport eine solche Bindungskraft entfalten, sofern sich das Unternehmen hier gegenüber interessierten Parteien zu bestimmten Maßnahmen, Verhalten oder Ähnlichem verpflichtet hat.

Diese Bindung kann jederzeit vom Unternehmen wieder aufgehoben werden. Solche bindenden Verpflichtungen können sich mit Blick auf DIN EN ISO 14001 aber auch aus gesellschaftlichen und ethischen Standards ergeben. Daher sollte sich jedes Unternehmen in der praktischen Umsetzung die Frage stellen, ob das derzeitige Geschäftsgebaren zwar legal, aber möglicherweise nicht unbedingt legitim ist.

 

Was bedeutet "Pflichtige"?

Der Adressat der Pflichten ist bei Gesetzen und Verordnungen in der Regel eher abstrakt beschrieben: beispielsweise der Betreiber, der Abfallerzeuger oder der Gewässerbenutzer. Häufig findet sich aber im jeweiligen Fachrecht eine rechtsverbindliche Pflicht der obersten Leitung der Behörde mitzuteilen, wer konkret die persönliche Verantwortung trägt und wie sichergestellt ist, dass diese Pflichten auch erfüllt werden (beispielsweise § 52b BImSchG – Mitteilung über die Betriebsorganisation). Bei gerichtlichen Entscheidungen, Verwaltungsakten und Verträgen ist regelmäßig klar erkennbar, an wen konkret sich die Regelung richtet.

 

Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen

Aus der Zuordnung dieses Unterpunktes im Kapitel 6 „Planung“ von ISO 14001, zu dem auch die Unterpunkte 6.1.3 „Bindende Verpflichtungen“ und 6.1.2 „Umweltaspekte“ gehören, wird deutlich, dass alle drei Aspekte in Bezug zueinander zu setzen sind.

Bereits bei der Ermittlung der bedeutenden Umweltaspekte kann eine tatsächliche Risikobewertung und damit die Entscheidung, ob es sich um einen bedeutenden Umweltaspekt im Sinne der Norm handelt, nur unter maßgeblicher Einbeziehung der Pflichten und Rechtsfolgen aus bindenden Verpflichtungen erfolgen. Je höher die Pflichtenkumulation ist, desto größer werden die Gefahren des Eintritts ungewünschter Rechtsfolgen und damit auch die Bedeutung des Umweltaspekts.

 

Die Rolle der interessierten Parteien

Auch Risikobewertungen von interessierten Parteien sollten belegbar mit einbezogen werden. Ansonsten besteht die Gefahr der Über- oder Unterschätzung von Risiken und damit eine fehlerhafte Bewertung der Bedeutung eines oder mehrerer Umweltaspekte. Beispiele hierfür sind:

  • Ergebnisse einer Umweltverträglichkeitsprüfung,
  • Schutzgebietsausweisungen durch Behörden
  • behördliche Veröffentlichungen im Schadstofffreisetzungsregister

Aber auch eine realistische Bewertung von Chancen ist ohne Einbeziehung der bindenden Verpflichtungen gemäß der Umweltnorm DIN EN ISO 14001 nicht möglich.

So kann zum Beispiel die freiwillige Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens unter Einbeziehung der Öffentlichkeit und damit unter anderem auch der Anwohner und Naturschutzverbände sowie weiterer interessierter Kreise maßgeblich zu langfristigen vertrauensbildenden Maßnahmen führen – und somit zur Verhinderung von möglichem Konfliktpotenzial. Die so erlangte Genehmigung (ein Verwaltungsakt, siehe oben) entfaltet dann auch gegenüber der beteiligten Öffentlichkeit bestimmte Bindungswirkungen und schafft für das Unternehmen langfristige Sicherheiten.

Praxishinweis
Es empfiehlt sich unbedingt, eine entsprechende Dokumentation aller Haupt- und Nebenbestimmungen aus einer Genehmigung sowie eine dokumentierte Maßnahmenableitung und Pflichtenübertragung vorzunehmen. Und: Einen wirksamen Monitoringprozess hinsichtlich der ständigen Aktualität zu haben. Dies umso mehr, als dass die zuständigen Behörden regelmäßig auch ohne Antrag nachträgliche Anordnungen zu einer Genehmigung treffen können, beispielsweise § 17 BImSchG.

Bei bestimmten Anlagen wird teilweise jährlich ein behördliches Legal Compliance Audit durchgeführt., ob der Betreiber seine Genehmigungspflichten einhält, zum Beispiel § 52a BImSchG oder die entsprechenden Regelungen in der EG Abfallverbringungsverordnung. Bei der Bewertung der Einhaltung von Verpflichtungen ist deren Häufigkeit, und welche Maßnahmen daraus abgeleitet wurden, zu dokumentieren.

Bindende Verpflichtungen in ISO 14001 – Fazit

Aufgrund des Querschnittcharakters der Legalitätspflichten im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes sind die durch jede Organisation zu erfüllenden Anforderungen sowohl im Bereich einer ISO-Zertifizierung, der Erfüllung der Managementanforderungen aus BVT Schlussfolgerungen der Europäischen Union oder aus Anforderungen des jeweiligen Gesetz- und Verordnungsgebers nicht zu unterschätzen. 

Solide Kenntnisse des Unternehmens auf diesem Gebiet sind aber zugleich ein Garant zur Nutzung von bestehenden Chancen.

Durch wirksame Umweltmanagementsysteme verbessern Unternehmen den betrieblichen Umweltschutz eigenverantwortlich und kontinuierlich. Risikovorbeugung, die Einhaltung von Gesetzen und Vorgaben und ein gestärktes Umweltbewusstsein bei Mitarbeitern sind weitere Aspekte, die zu Wettbewerbsvorteilen führen und zur Zukunftssicherung beitragen. Mit einem ISO 14001-Zertifikat zeigen Sie Ihren Kunden, Partnern und der interessierten Öffentlichkeit, dass Sie Verantwortung für die Umwelt tragen und Ihre Umweltleistung kontinuierlich verbessern.

 

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Seit mehr als 35 Jahren stehen wir mit unparteilichen Audits und Zertifizierungen für die Weiterentwicklung von Managementsystemen und Prozessen. Wir auditieren nach rund 200 anerkannten Normen und Regelwerken, nach branchenspezifischen Standards oder maßgeschneidert nach Ihren individuellen Vorgaben – regional, national und international. Unsere Kunden sehen in den Audits eine Chance. Für sie ist das Feedback des unabhängigen Auditors zum Verbesserungspotenzial und Risiken ebenso wertvoll wie ein DQS-Zertifikat als Nachweis ihrer Qualitätsfähigkeit. Damit dies so bleibt, achten wir strikt auf Integrität und Objektivität – mehr dazu lesen Sie in unserer Auditphilosophie.

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Unsere Beiträge und Whitepaper werden ausschließlich von unseren Normexperten oder langjährigen Auditoren verfasst. Sollten Sie Fragen zu den Textinhalten oder unseren Dienstleistungen an unseren Autor haben, senden Sie uns gerne eine E-Mail: willkommen@dqs.de

Hinweis: Wir verwenden aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum. Die Direktive schließt jedoch grundsätzlich Personen jeglicher Geschlechteridentitäten mit ein, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

Autor
Frank Machalz

Langjähriger Auditor der DQS für den Bereich Risiko- und Compliance Management und dessen Subsysteme, wie beispielsweise Antikorruption, Business Continuität, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Umweltschutz oder Produktsicherheit. Seine interdisziplinäre Kompetenz wird besonders von Kunden mit einem integrierten, ganzheitlichen (Risiko) Managementsystem geschätzt. Darüber hinaus bringt Herr Machalz seine Expertise in den verschiedenen Gremien u.a. bei der Normungsarbeit beim DIN, der IHK Berlin und als Beiratsvorsitzender der Control Union Certifications Germany GmbH ein und partizipiert zugleich an dem Wissen und der Erfahrung der anderen Gremienmitglieder.

Als Geschäftsführer der envigration GmbH – Risk & Compliance Management in Berlin ist Frank Machalz mit seinem aus weiteren Juristen sowie Steuerberatern, Betriebswirten, Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Geisteswissenschaftlern und Psychologen bestehenden interdisziplinären Team seit vielen Jahren branchenübergreifend für internationale und nationale Organisationen beratend und betreuend tätig. Er und sein Team geben ihre jeweilige Fachexpertise regelmäßig auch in internen und externen Schulungsveranstaltungen weiter.

Frank Machalz ist Mitglied im DIN Normenausschuss Organisationsprozesse (NA Org) NA 175 –00 –01 AA Governance und Compliance Management. Seit mehreren Jahren wirkt hier aktiv bei der Erarbeitung der Norm ISO 37301 sowie von ISO 37000 und der DIN ISO 37002 mit. Darüber hinaus bringt er seine Expertise und Erfahrungen auch im Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ) NA 147-00-03-21 ein und wird hier aktiv bei der Erarbeitung der künftigen ISO 17021-13 mitwirken.

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